Montag, 26. Juli 2010

Wie hab ich die Loveparade verfolgt?



Meine Freundin und ich, haben uns schon die Woche davor entschlossen, nicht auf die Loveparade zu fahren. Wir haben beide gelesen, dass es ein abgeschlossenes Gelände sein soll. Abgesehen davon, hat die Presse ebenfalls berichtet, dass ungefähr nur 500.000 Menschen auf das Gelände passen. Die Veranstalter sind im Vorfeld aber von nur über eine Million ausgegangen. Dies war u.a. der Hauptgrund, warum wir nicht dorthin gefahren sind. Uns war von vornerein klar, dass es tierisch eng und ätzend werden würde.

Am Samstag also erst mal schön im Herzen von Iserlohn gebummelt, beim Friseur gewesen und schliesslich noch ein Käffchen getrunken. Anschliessend sind wir dann zu meiner Freundin nach Hause gegangen. Wir haben uns auf dem Balkon eine genüssliche Zigarette geraucht. 
Zwischendrin ist mir eingefallen, dass ja die Loveparade gestartet ist - also nix wie hin zum Fernseher und den WDR angemacht. Thomas Bug und Catherine Vogel moderieren gerade und erklären dem Publikum, wie alles abläuft. In den nächsten 2 Stunden ist der Fernseher eher im Hintergrund gelaufen, zwischendurch hat man einfach mal drauf geschaut, was so passiert. Alles war gut.


Irgendwann kam dann die Meldung, dass das Gelände der Loveparade abgeriegelt sei. Die Polizei fordert die Leute auf, wieder umzukehren und nach Hause zu fahren. An Leute die unterwegs sind, wird ebenfalls appelliert, nicht mehr in Duisburg aufzutauchen sondern umzukehren.
Soweit ist also noch alles in Ordnung - wobei ich es schon heftig finde, eine Loveparade abzuschliessen. Man wusste vorher, wie beliebt diese Parade doch ist und konnte sich denken, dass ein Gelände was für 500.00 Menschen ausgelegt ist, nicht für über eine Million Partybesucher reichen wird. Für mich persönlich ein Unding, so eine Veranstaltung auf einem geschlossenen Gelände durchzuführen.


Nun gut - wir haben also weiter TV geschaut. Thomas Bug und Catherine Vogel, ebenso wie Sabine Heinrich, haben ihren Job meiner Meinung nach sehr gut gemacht. Alle haben sie gute Laune rübergebracht und angemessen, also nicht zu überdreht, berichtet.
Nach ein paar Kaffee und interessanten Gesprächen mit meiner Freundin, kam dann auch schon die kaum glaubwürdige Meldung von zehn Toten. Im WDR lief unterhalb des Bildes ein "Crawler", also eine Art Miniticker. Dort war dann von 10 Toten und 100 Verletzten die Rede.
Den Moderatoren hat man schlagartig angesehen, dass es wohl stimmt, was da passiert ist. Die gute Laune war, verständlicherweise, weg.  Hier schon mal angemerkt einen großen Applaus an Vogel und Bug - sie haben meiner Meinung nach sehr angemessen reagiert - in solchen Situationen merkt man am besten, ob ein Moderator mit neuen Informationen gut umgehen kann oder eben nicht.


Wir haben das Geschehen also weiterhin spannend am TV verfolgt. Mittendrin ist uns dann eingefallen, dass zwei Freunde von uns ebenfalls zur Loveparade wollten. Ich also direkt angerufen - unsere Freundin ging ans Handy. Folgender Dialog entstand:
Ich: "Geht’s euch gut?"
Sie: "Nein. Tobi wird gerad neben mir wiederbelebt"
Ich: "Ach. Erzähl doch keinen. Dafür redest du aber sehr ruhig und cool"
Sie: "Ja, was soll ich denn machen - soll ich losheulen?"
Ich: "Irina, erzähl mir keinen."
Sie: "Wir sitzen im Zug - sind gerad in Mülheim - war nur Spaß"
Ich: "Ey, hab mir gerad voll die Sorgen gemacht. Sowas macht man doch nicht..."
Das Gespräch also sehr ... naja..wie soll man sagen...witzig? Nein - auf keinen Fall. Im ersten Moment habe ich eine derartige Gänsehaut bekommen, ich wusste gar nicht, wie ich reagieren sollte. Von ihr war es scherzhaft gemeint - sie wusste zu dem Zeitpunkt wohl noch nicht, wie schlimm das ganze eigentlich ist. Ich nehm es ihr nicht übel, auch wenn es schon relativ krass war. Meine Freundin saß bei dem Telefonat neben mir, sie wurde auch etwas blass.

Ich wollte mehr wissen. Bin also zum PC meiner Freundin gegangen und hab Twitter angeworfen und nach "#loveparade sowie #duisburg" gesucht...Ja, da kam sie auch schon die Flut an Infos. Mich erreichten ganz schnell, dutzende von Tweets. Innerhalb von wenigen Sekunden war mein Dashboard voll mit Infos, Bildern, Videos. Nun - ich klickte mich also durch. Es war heftig mit anzusehen, wie viele Leute in der "Passage" zur Loveparade feststeckten. Schreckliche Bilder - Menschen die nicht wussten, was sie tun sollten. Menschen die auf dem Boden lagen. Menschen die schon regelrecht übereinander gestapelt waren. Einfach nur schreckliche Bilder.
Im nächsten Moment ging mir eine Menge durch den Kopf. Ich habe überlegt...überlegt was gewesen wäre, wenn meine Freundin und ich hingefahren wären. Hätte es uns auch getroffen? Wären wir mit dabei gewesen? Hätten wir auch so eine Panik gehabt? Was hätten wir tun sollen?
All diese Fragen sind mir durch den Kopf geschossen. Ich habe schnell überlegt, ob noch andere Freunde oder Bekannte auf der Loveparade waren. Gottseidank fiel mir niemand ein. Später bewahrheitete sich dann auch, dass niemand nahestehendes von meiner Freundin oder von mir auf der Loveparade war.


Die Bilder verdaut, Infos eingeholt. Ich bin mit meiner Freundin auf den Balkon gegangen um eine Zigarette zu rauchen. Wir haben darüber geredet - woran kann es liegen? Was ist da passiert? Wer hat versagt? Wird es je wieder eine Loveparade geben? Lag es nur am Tunnel? Oder war die Veranstaltung generell nicht für Duisburg geeignet? All diese Fragen werden wir wohl erst in den kommenden Wochen beantwortet kriegen. Jedenfalls hoff ich es - den Angehörigen von den Opfern muss Aufklärung gewährleistet werden. Ich hoffe, dass niemand irgendetwas versucht zu vertuschen - das Fehler erbarmungslos, konkret und ehrlich aufgedeckt werden.
Trotzdem würde es mich nicht wundern, wenn Tatsachen verschwiegen oder gar vernichtet werden würden...
R.I.P.


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